Steve Skaith und Mike Jones – Latin Quarter

Von der deutschen Polit-Showprominenz unterscheiden sie sich vor allem dadurch, daß ihre Musik zeitgemäß-poppig klingt. Ihre Songs handeln vom Fußball-Fanatismus in England, sie prangern die Apartheid-Politik in Südafrika an, sie beschreiben den Zustand eines Jungen, der in den unsinnigen Falklandkrieg geschickt wurde und sie berichten über einen drittklassigen Lennon-Biographen. Schwerverdauliche Themen? Wer sie gehört hat, weiß, daß das nicht stimmt. Jedenfalls nicht bei “Latin Quarter”. Wir trafen uns in Hamburg mit Steve Skaith, dem musikalischen, und Mike Jones, textlichen “Kopf” des absolut ungewöhnlichen Briten-Achters, und versuchten ihrem Erfolgsgeheimnis auf die Spur zu kommen. Übrigens heißt ihre erste LP “Modern Times”, und ihr liegt eine deutschsprachige Kommentierung der Songtexte bei, was ihr Verstehen sicher ebenso vergrößern wird wie das Verständnis für die Aktivitäten der Gruppe.

OXMOX: Welch ein Kontrast: Ihr macht “schöne” Musik, während die dazugehörigen Songtexte ganz schön kontrovers sind. Wer hatte die Idee zu dieser einigermaßen ungewöhnlichen Kombination?

STEVE: Es war in dem Sinne eigentlich keine Idee, sondern Mike hat sich lediglich entschlossen, Texte zu schreiben.

OXMOX: Aber er hatte keine Musiker!?

MIKE: Sozusagen. Die Situation war jedenfalls so, daß Steve politische Songs schon in einer Liverpooler Vorstadtband zu singen begonnen hatte.

OXMOX: Du bist also sehr wohl daran interessiert, zu sehen, was innerhalb der Band aus Deinen Texten wird?!

MIKE: Aber klar, zumal die Band mir auch stets das Gefühl vermittelt, ihr anzugehören. Zum Beispiel, indem sie mich zu ‘nem Drink einlädt, wenn es an der Zeit dafür ist. (Allgemeines Gelächter).

OXMOX: So sehr Ihr in Euren Songs einesteils weltweit interessierende Probleme anschneidet, stellt sich andererseits natürlich die Frage, ob die Gewichtung der Probleme nicht von Land zu Land verschieden ist. Ein Song wie “Cora” dürfte von der Thematik zum Beispiel doch typisch britisch, einer wie “Toulouse” eher typisch französisch sein, oder?!

MIKE: Ich gehe damit nur insofern konform, als ich einräume, daß uns sehr wohl aufging, wie schwer es Ausländern sicher fallen würde, die Feinheiten der Texte zu verstehen. Das führte dann ja auch dazu, daß wir der in Deutschland verkauften LP eine Art deutschen Textkommentar beigefügt haben, um zu verhindern, daß allzu viel von dem verloren geht, was wir unseren Zuhörern vermitteln wollen. Ansonsten behandeln unsere Songs aber Themen, die von allgemeinem Interesse sein dürften, selbst wenn das eine oder andere davon nun vielleicht typisch englisch, französisch oder was auch immer sein mag.

OXMOX: Eure Songs sind durchweg tanzbar. Wie sehr würde es Euch aber stören, wenn die Leute zu Texten tanzen, die im Grunde doch alles andere als “tanzenswert” sind?

MIKE: Doch, das geht durchaus in Ordnung. Musik ist doch heute in aller erster Linie eine Form von Unterhaltung. Erst danach stellt sie eine Kommunikartionsmöglichkeit dar. Wenn man es schafft, Unterhaltung mit Kommunikation zu verbinden, hat man sicher gute Arbeit geleistet. Wir sind zumindest bemüht, das zu tun. Wenn man lediglich versucht, die Leute mit Musik zu politisieren oder zu belehren, erleidet man meines Erachtens unweigerlich Schiffbruch. Anstelle von musikalischem Agitprop betreiben wir eher eine Art tönende Tageszeitung, wobei wir bemüht sind, Texte und Musik so aktuell wie möglich zu gestalten.

STEVE: Ich finde, Songtexte haben interessant zu sein, und notfalls müssen sie auch provozieren, um jene Leute aus der Ruhe zu bringen, die vor politischen Problemen grundsätzlich den Kopf in den Sand stecken. Wir können zwar niemanden dazu zwingen, immer mit uns einer Meinung zu sein, aber wir wollen die Leute wenigstens zum Nachdenken anregen. Glücklicherweise gefällt dieses Konzept sogar den Verantwortlichen unserer Plattenfirma.

OXMOX: Wie links steht Ihr politisch denn nun eigentlich?

STEVE: Ganz schön weit, würde ich sagen wollen! Maggie Thatcher wäre vermutlich nicht allzu glücklich, wenn sie uns je hören würde. Leider wird das aber vermutlich kaum geschehen, so daß wir uns über ihre Reaktion glücklicherweise nicht den Kopf zerbrechen müssen.

J.S.; OXMOX (Hamburger Stadtmagazin) 1985